Europäische Musiker in Venedig, Rom und Neapel (1650–1750). Musik, nationale Identität und kultureller Austausch.

www.musici.eu

Im 17. und 18. Jahrhundert reisten zahlreiche europäische Musiker nach Venedig, Rom und Neapel, deren Musikkultur eine starke Anziehungskraft auf ganz Europa ausübte. Während diese Musiker häufig eine musikalische Ausbildung und das Studium des italienischen Stils anstrebten, etablierten sich viele von ihnen auch dauerhaft in den drei Städten. Das hier vorgestellte Forschungsprojekt ist aus dem Desiderat entstanden, die Stellung der europäischen Musiker im venezianischen, römischen und neapolitanischen Musikleben anhand eines vergleichenden Ansatzes zu untersuchen. Ihre Eingliederung in das lokale Musikleben beruht gleichermaßen auf ästhetischen, sozialen und politischen Zusammenhängen, deren Berücksichtigung zudem Aufschluss über ihre Wahrnehmung italienischer Gattungen und Stile gibt.
Im Forschungsprojekt sollen die Aktivitäten der europäischen Musiker, die sich im Zeitraum von 1650 bis 1750 in Venedig, Rom und Neapel aufhielten, unter dem Blickwinkel des kulturellen Austausches und der nationalen Identität untersucht werden. Die zentrale Frage lautet, wie sich die Integration dieser Musiker in das italienische Musikleben um 1700 vollzog, das durch Prozesse der Professionalisierung, der Politisierung von Musik und der Herausbildung nationaler Musikstile gekennzeichnet ist. Der historische Bruch, den der Spanische Erbfolgekrieg (1701–1714) für die italienische Halbinsel darstellt, bildet den zentralen Angelpunkt unserer Untersuchung. In methodischer Hinsicht wird sich das Projekt auf zwei aktuelle Forschungsansätze stützen: Sowohl Kulturtransfer und Verflechtungsgeschichte als auch vergleichende Ansätze aus den Kunstwissenschaften sollen für die Musikgeschichte Italiens um 1700 fruchtbar gemacht werden.
Als Forschungsziele sind zum Einen eine Topographie der Wirkungsorte europäischer Musiker und eine Übersicht über die Breite ihrer musikalischen Aktivitäten angesetzt. Zum Anderen sollen anhand der Erfahrungen der europäischen Musiker im venezianischen, römischen und neapolitanischen Musikeralltag Demarkations- und Austauschprozesse beleuchtet werden, die Aufschluss über die Entstehung musikalischer Nationalstile und Kulturtransfers im Bereich der musikalischen Professionalisierung sowie über den komplexen Charakter des italienischen Barockstils geben sollen. Die Projektmitglieder werden diese Fragen anhand von fünf Forschungsachsen bearbeiten: der Einbindung europäischer Musiker in die Repräsentation politischer Macht, einer vergleichenden Sozialgeschichte der Mobilität von Musikern in Italien, der Zirkulation von Werken und Musikern zwischen Venedig und Neapel im Bereich der musikalischen Ausbildung, der musikalischen Aktivitäten europäischer Musiker während der Landpartien der großen Adelsfamilien und der europäischen Orgelbauer samt des Einflusses ihrer Instrumente auf die
italienische Kirchenmusik.
In der Zusammenarbeit des Forscherteams ist eine systematische Darstellung der kultur- und sozialgeschichtlichen Bedingungen der Musikermigration nach Italien zwischen 1650–1750 begonnen worden, die auch Unterschiede der regionalen Musikzentren Italiens erfasst. Während ein deutsch-französisch-italienisches Forschungsseminar, vier Studientage und ein Abschlusskolloquium von 2010–2013 Diskussionen zwischen verschiedenen europäischen Forschungskulturen förderten, sind einzelne Migrationsdaten in der im Juni 2013 online gestellten gemeinsamen Datenbank (in Kooperation mit der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften) systematisch recherchierbar. Die durch die Projektmitglieder und weitere Wissenschaftler erstellten Fallstudien werden im Juni 2014 im Analecta musicologica-Band "Europäische Musiker in Venedig, Rom und Neapel (1650–1750)" erscheinen.

Wenn Sie auf weitere Musiker hinweisen möchten, die sich zwischen 1650 und 1750 in Venedig, Rom oder Neapel aufhielten, senden Sie bitte folgende Postkarte (PDF; 1,9 Mb) oder eine E-Mail an Michela Berti unter berti(at)musici(dot)eu.

Projektleitung
Anne-Madeleine Goulet (CNRS-CMBV)
Gesa zur Nieden (Mainz)

Projektmitarbeiter
Florence Alazard (Tours)
Michela Berti (EFR)
Florian Bassani (DHI)
Caroline Giron-Panel (EFR)
Britta Kägler (DHI)
Barbara Nestola (CMBV)
Élodie Oriol (EFR)
Mélanie Traversier (EFR)
Giulia Veneziano (EFR)
Gerald Neumann (BBAW)
Christoph Plutte (BBAW)
Torsten Röder (BBAW)